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Dr. Maria Schaumayer Stiftung

Stiftung zur Förderung von Frauenkarrieren

Der Euro und die europäische Integration, Festvortrag und Laudatio

Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur
Innsbruck, 25. 5. 2004
Magnifizenz! Spektabilität! Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Maria!
Sehr geehrte Festgäste!

Es ist für mich sowohl eine große Ehre als auch eine ganz besondere persönliche Freude, heute den Festvortrag und die Laudatio anlässlich des Goldenen Doktorjubiläums von Frau Präsident a.D. Dr. Maria Schaumayer in diesem festlichen Rahmen halten zu dürfen. Fühle ich mich doch sowohl der Jubilarin, der ich 1995 an die Spitze der Oesterreichischen Nationalbank folgen durfte, als auch der Universität Innsbruck, mit der wir seit Jahren eine erfolgreiche Kooperation haben, sehr verbunden.

Ich habe das Thema, „Der Euro und die europäische Integration“, bewusst für den heutigen, besonderen Anlass gewählt, da Maria Schaumayer sowohl für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union als auch im Prozess der Schaffung des Euro eine sehr wichtige Rolle gespielt hat.

Der Zeitpunkt für einen Rück- und auch Ausblick zur europäischen Integration ist ein sehr günstiger, konnten wir doch vor 25 Tagen einen Tag erleben, der – wie Romano Prodi sagte – in die Geschichte Europas eingehen wird. Am 1. Mai 2004 durften wir zehn neue Mitgliedsländer und damit 74 Millionen neue Bürger in der Familie der EU-Staaten begrüßen. Diese zehn Länder haben sehr unterschiedliche historische Wurzeln, die weit in die Jahrhunderte zurückreichen, aber es waren immer europäische Wurzeln. Dieser Tag war aber nicht nur deshalb historisch und bemerkenswert, weil noch nie zuvor so viele neue Länder in die Union gekommen sind, sondern weil acht dieser Länder vor nur 15 Jahren noch zu dem von der damaligen Sowjetunion dominierten, kommunistischen Teils Europas gehörten und damit durch einen Eisernen Vorhang vom freien Europa getrennt waren. So ging nunmehr ein jahrzehntelanger – oft unrealistisch erscheinender – europäischer Traum endlich in Erfüllung.

Ein anderer, langjähriger europäischer Traum war schon vor über fünf Jahren in Erfüllung gegangen, der Traum von einer gemeinsamen Währung. Mit der erfolgreichen Einführung des Euro noch kurz vor dem Ende des 20. Jahrhunderts konnte für – vorerst elf, inzwischen für zwölf Mitgliedsländer – ein Meilenstein in der europäischen Integration erreicht werden.

Ein wichtiges Element staatlicher Souveränität, die Souveränität zur Ausgabe des Geldes, wurde freiwillig auf eine gemeinsame europäische Institution übertragen.

Über den Zeitraum der letzten 5 ½ Jahren hat damit der Prozess der europäischen Integration sowohl in seiner inhaltlichen Tiefe als auch in seiner geografischen Weite völlig neue Dimensionen erreicht. Um diese Erfolge richtig beurteilen und wirklich schätzen zu können, muss man einige Etappen der europäischen Geschichte des 20.Jahrhunderts Revue passieren lassen.

Als Ausgangspunkt bietet sich für mich das Jahr 1931 an. In dieses Jahr fiel das Ereignis der Geburt von Präsidentin Schaumayer. Es war aber auch das „annus terribilis“ für das europäische Finanz- und Währungssystem.

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es mit dem Goldstandard ein stark integriertes Weltwährungssystem, an dem auch die Mehrzahl der europäischen Länder teilnahm. Nach dem Ersten Weltkrieg und seinen durch die Finanzierung der Kriegskosten ausgelösten inflationären Entwicklungen bestand in vielen Ländern Europas das Bestreben, zu den alten Vorkriegs-Goldparitäten zurückzukehren. Das prominenteste Beispiel war wohl das Vereinigte Königreich. Auch die Satzung der Oesterreichischen Nationalbank von 1923 postulierte die Rückkehr zur Goldeinlösungspflicht der österreichischen Währung als das oberste währungspolitische Ziel.

Die Turbulenzen des Jahres 1931 machten die währungspolitischen Integrations-Ambitionen der 20er Jahre aber zunichte. Als Maria Schaumayer am 7. Oktober 1931 (angeblich um 19 Uhr) in Graz das Licht der Welt erblickte, hatte gerade England 14 Tage zuvor als Folge der heftigen Finanzmarktturbulenzen und der Kapitalflucht den Goldstandard verlassen und den Wechselkurs des Pfund freigegeben. Andere europäische Länder folgten. Am Tag nach Maria Schaumayers Geburt musste dann auch das österreichische Parlament die Regierung durch ein Verfassungsgesetz ermächtigen, zum Schutze der Wirtschaft gesetzesändernde Verordnungen zu erlassen, was auch gleich erfolgte. Fünf Monate nach dem Ausbruch der Credit-Anstalt Krise und nach dem Verlust des Großteils der Währungsreserven, musste auch Österreich – wie zuvor schon andere europäische Staaten – eine strenge Devisenbewirtschaftung einführen. Damit wurden die Konvertibilität des Schilling und auch der freie Kapitalverkehr in Österreich zu Grabe getragen. Grund genug für den Finanzminister zu demissionieren. Im Gefolge der Veröffentlichung massiver Verluste der Credit-Anstalt war es zu einer Kapitalflucht aus dem Schilling gekommen.

Nachdem die internationale Hilfe nur sehr verzögert und auch nicht in ausreichendem Maße kam und die Probleme der Credit-Anstalt laufend größer und zu einem Budgetproblem wurden, war die Bankenkrise zu einer Währungskrise geworden.

Die Versuche der Nationalbank, den freien Geld- und Devisenverkehr aufrecht zu erhalten und Österreich nicht abzuschotten, waren endgültig gescheitert. In der Oesterreichischen Nationalbank wurde eine Prüfungsstelle für den Kapitalverkehr mit dem Ausland eingerichtet, über die in der Folge alle Devisenbewilligungen liefen.

Es war dann eine glückliche Fügung des Schicksals, dass es gerade Maria Schaumayer sein durfte, die 60 Jahre später, im November 1991, die letzten devisenrechtlichen Beschränkungen in Österreich abschaffte und damit die Vollliberalisierung des österreichischen Kapitalverkehrs und die vollständige Konvertibilität des Schilling, eine der Voraussetzungen für die Integration in den europäischen Binnenmarkt und damit für die erste Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, verwirklichte. Damit verbunden war auch die endgültige Schließung der „berüchtigten“ Prüfungsstelle.

Nach den währungspolitischen Wirren des Zweiten Weltkriegs war Europa wieder Teil der neuen internationalen Währungsordnung, dem Bretton Woods System. Damit war vorerst keine eigenständige europäische Währungsordnung notwendig. Als Österreich 1948 Mitglied des Internationalen Währungsfonds wurde, stand Maria Schaumayer kurz vor ihrer Matura am Bundesrealgymnasium in Fürstenfeld, die sie mit Auszeichnung ablegte. 1990 sollte sie dann die österreichische Gouverneurin für diesen Internationalen Währungsfonds werden.

Als sie das Realgymnasium Fürstenfeld in Richtung Hochschule für Welthandel in Wien verließ, erschien in London – kaum beachtet – ein Buch mit einem zukunftsweisenden Titel: „The Euro – A New European Gold Currency“. Autor war ein gewisser Simon Marcovici-Cléja. 1) Darin argumentierte der Autor, dass Westeuropa von seiner damaligen wirtschaftlichen Nachkriegs-Schwäche geheilt werden könnte, wenn es seine Ressourcen bündeln und eine gemeinsame Goldwährung, den Euro, schaffen würde. Das Recht zur Ausgabe des Euro sollte von den nationalen Notenbanken auf eine gemeinsame europäische Ausgabe-Bank („European Emission Bank“) übertragen werden. Maria Schaumayer sollte 45 Jahre später die erste Vertreterin Österreichs im Europäischen Währungsinstitut, der Vorläuferin dieser gemeinsamen europäischen Notenbank sein. Cléjas Ideen scheinen vorerst keinen Einfluss auf die europäische Währungsverfassung gehabt zu haben, die ja fester Bestanteil der Bretton Woods Ordnung war. Aber auf dem Gebiet der wirtschaftlichen und politischen Integration Europas sollten bald erste Schritte erfolgen. Schon im Mai 1950 schlug der damalige französische Außenminister, Robert Schumann, die Gründung einer Gemeinschaft für den Montanbereich zwischen Deutschland und Frankreich vor.

Als 1952 Maria Schaumayer die Hochschule für Welthandel mit dem Titel Diplomkaufmann abschloss, trat gerade der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion), der ein Jahr zuvor von Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande und Luxemburg unterzeichnet worden war, in Kraft. Die Hohe Behörde, die Vorläuferin der Europäischen Kommission, nahm unter ihrem Präsidenten Jean Monnet ihre Arbeit auf. Das waren die Geburtsstunde der Europäischen Gemeinschaft und zwei wichtige erste Meilensteine auf dem Weg der europäischen Integration.

Maria Schaumayer verlegte in der Folge ihren Studienort hierher nach Innsbruck und studierte an der juridischen Fakultät dieser Universität mit besonderer Berücksichtigung von Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Als sie im Mai 1954 zum Doktor rer. oec. promovierte, kam es auf dem Weg der europäischen Integration gerade zu einem ersten schweren Rückschlag. Die französische Nationalversammlung lehnte eine Europäische Verteidigungsunion und eine Europäische Politische Gemeinschaft ab. Man musste sich wieder auf die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Integration konzentrieren. Der Wechselkurs und die Geldpolitik waren zwar damals Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, aber noch nicht mehr.

In ihrer Dissertation beschäftigte sich Maria Schaumayer mit einem Themenkreis, mit dem sie während ihrer Karriere noch öfters zu tun haben sollte, dem österreichischen Export. „Moderne Marktforschung und Marktwerbung im Export“, so lautete das Thema. Die Wahl des Themas zeigte bereits damals ihre internationale Orientierung, aber auch ihr Interesse an Fragen der richtigen Kommunikation. In der Folge sammelte sie zum ersten Mal Erfahrung im Bankwesen, natürlich bei der Creditanstalt Bankverein, die ja in ihrem Geburtsjahr eine so dominante, wenn auch tragische Rolle gespielt hatte. Während dieser Periode wurde die Europäische Freihandelszone (EFTA) mit dem Ziel gegründet, eine wirtschaftliche Schlechterstellung ihrer Mitgliedsländer infolge der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu verhindern. Österreich schloss sich dieser EFTA an.

Als Maria Schaumayer im Oktober 1965 – nachdem sie erst zehn Monate als Gemeinderat in der Wiener Politik war – zum Stadtrat und Mitglied der Wiener Landesregierung gewählt wurde (mit dem Arbeitsgebiet „Städtische Unternehmungen“), erlitt die europäische Einigung gerade wieder einen Rückschlag. Der französische Präsident De Gaulle rief die Politik des „leeren Stuhls“ im EG-Rat aus, d. h. Frankreich boykotierte die Entscheidungen. Die europäische Integrations-Euphorie ließ in den Folgejahren stark nach.

Während der folgenden acht Jahre, als Maria Schaumayer Stadtrat in Wien war, kam es 1973 zum endgültigen Zusammenbruch des Bretton-Woods Festkurssystems und damit zur währungspolitischen Disintegration. Es entstand die Notwendigkeit, einen eigenen europäischen währungspolitischen Integrationsprozess zu starten. Von 1945 bis Anfang der 70er Jahre hatte es diese Notwendigkeit nicht gegeben.

Im Februar 1969 veröffentlichte die EG-Kommission ein Memorandum zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion. In der Folge beschloss der Europäische Rat in Den Haag, einen Etappenplan zur Erreichung einer Wirtschafts- und Währungsunion erarbeiten zu lassen. Dieser so genannte Werner-Plan wurde dann 1970 angenommen. Er sah bereits drei Stufen zu einer gemeinsamen Währung und einer gemeinsamen Währungsbehörde vor.

Als Maria Schaumayer 1973 aus der Wiener Stadtregierung ausschied, hatte sich die Europäische Gemeinschaft erstmals um drei neue Mitglieder, nämlich das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark auf eine Gemeinschaft von neun Ländern erweitert. Die währungspolitische Integration geriet als Folge der Ölkrise und der sehr unterschiedlichen geldpolitischen Reaktionen in den einzelnen Mitgliedsländern ins Stocken und der Werner-Plan wurde nicht weiter umgesetzt. Was blieb, war die europäische Währungsschlange, ein quasi Festkurssystem mit Bandbreiten und mit wechselnden Mitgliedschaften.

Österreich entschied sich einseitig für ein damals innovatives währungspolitisches Konzept eines Wechselkursindikators mit dem Ziel, den Wert des Schilling relativ zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern stabil zu halten. Damit sollten stabile Außenverhältnisse und eine einseitige währungspolitische Integration sichergestellt werden. Nach der Elimination mehrerer Währungen aus dem Indikator verfolgte Österreich schließlich einen reinen „D-Mark-Peg“, die so genannte „Hartwährungspolitik“. Obwohl diese D-Mark-Orientierung anfänglich vielerorts – so auch bei den internationalen Finanzorganisationen, vielen Universitätsprofessoren, aber auch in Teilen der damaligen österreichischen Innenpolitik – skeptisch gesehen wurde, konnte sie von der Oesterreichischen Nationalbank über mehr als zwei Jahrzehnte bis zur Integration des Schilling in den Euro erfolgreich verfolgt werden. Die meisten der frühen Skeptiker wurden in dieser Zeit zu Befürwortern der Hartwährungspolitik.

Maria Schaumayer war inzwischen 1974 von der Wiener Politik wieder in das Bankwesen, diesmal in den Vorstand der Österreichischen Kommunalkredit AG, einer Bank mit Schwerpunkt in der Gemeinde-Finanzierung gewechselt und konnte dort während einer Periode von acht Jahren ihre Erfahrung aus der größten Gemeinde Österreichs, der Gemeinde Wien, erfolgreich einbringen.

1981 kam es zwar mit dem Beitritt Griechenlands zur ersten Süderweiterung der Europäischen Gemeinschaft, aber dennoch war Europa mit viel Skepsis konfrontiert und in der öffentlichen Diskussion gewann der Begriff der „Eurosklerose“ stark an Verbreitung. Der „alte Kontinent“, so die damalige Argumentation, wäre nicht reformfähig und würde im Wettbewerb mit den dynamischen Wirtschafträumen USA und Asien nachhinken und langfristig verlieren.

Maria Schaumayer wurde inzwischen 1982 Finanzvorstand in der ÖMV Aktiengesellschaft und war in der Folge u. a. für die erfolgreiche Teilprivatisierung der ÖMV über die Wiener Börse verantwortlich. 1989 ging sie nach sieben Vorstandsjahren (erstmals) in den – vermeintlichen – Ruhestand.

Inzwischen hatte 1986 die europäische Integration auch Spanien und Portugal im Rahmen der zweiten Süderweiterung erfasst. Der EU-Rat verabschiedete das Weißbuch zum Binnenmarktprogramm mit dem Ziel, bis Ende 1992 einen europäischen Binnenmarkt zu schaffen und damit eine neue Dynamik in den europäischen Integrationsprozess zu bringen. Die 1987 verabschiedete Einheitliche Europäische Akte lieferten den rechtlichen Rahmen für die Umsetzung der 282 Maßnahmen. Aber auch auf dem Gebiet der Währungsintegration kamen neue Impulse. Die Idee einer Währungsunion wurde wieder aufgenommen und ein Ad-hoc-Ausschuss, das Delors Komitee, unter der Leitung des damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Delors, mit der Prüfung dieser Frage und der Ausarbeitung eines Konzepts mit konkreten Schritten für den Weg zu einer gemeinsamen Währung beauftragt. Nach der Vorlage des Delors-Berichts mit seinem Dreistufenplan zu einer gemeinsamen Währung im April 1989 und seiner Annahme durch den Europäischen Rat im Juni 1989 konnte die erste Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990 starten, ein Monat nachdem Maria Schaumayer OeNB-Präsidentin geworden war.

Nach dem plötzlichen Tod des damaligen Präsidenten der Oesterreichischen Nationalbank, Dr. Hellmuth Klauhs, wurde Maria Schaumayer am 1. Juni 1990 von der Bundesregierung für eine fünfjährige Amtszeit aus der erst kurz währenden Pension an die Spitze der Notenbank geholt. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.

In diese Zeit fielen wichtige Entwicklungen und Entscheidungen, sowohl von weltpolitischer Bedeutung als auch dem Gebiet der europäischen Integration im Allgemeinen und der europäischen Währungs integration im Besonderen.

Es war eine Periode der Umbrüche. Die Ostöffnung hatte nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 gerade begonnen, und die OeNB erkannte sehr schnell, dass ein großer wirtschaftlicher Ausbildungsbedarf in diesen Ländern bestand.

So wurde von der OeNB der Austrian Bankers’ Club international als Ausbildungsprogramm für mittel- und osteuropäische Notenbanker, Beamte und Banker geschaffen und ab 1992 dann noch das Joint Vienna Institute, die gemeinsame Ausbildungsstätte mehrerer internationaler Organisationen in Wien, die unter der Führung von Maria Schaumayer von der OeNB mitbegründet wurde. Dort konnten inzwischen mehrere tausend Notenbanker und Beamte aus den Transformationsländern geschult und damit wichtige Vorleistungen für die nunmehrige Integration vieler dieser Transformationsländer in die Europäische Union geleistet werden.

Österreich hatte knapp ein Jahr vor Maria Schaumayers Wechsel an die Spitze der OeNB das Beitrittsgesuch zur Europäischen Union in Brüssel abgegeben. Die nächsten Jahre sollten daher von den Beitrittsverhandlungen und von der Vorbereitung der Volksabstimmung geprägt sein. An beiden Prozessen nahm die OeNB unter der Führung von Maria Schaumayer aktiv teil und leistete wichtige und erfolgreiche Beiträge.

Die Regierungskonferenzen zur Reform der Römischen Verträge in Richtung Wirtschafts- und Währungsunion als auch Politischer Union begannen noch vor Ende 1990 ihre Arbeit. Anfang 1992 konnte dann der Maastricht Vertrag unterzeichnet werden und er trat im November 1993 in Kraft. Damit war der Weg zur zweiten Stufe der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion frei. Nur das genaue Anfangsdatum der dritten Stufe, das Übergangsszenario und der Name der gemeinsamen Währung mussten noch fixiert werden.

Aber der Weg zur WWU – und damit zur gemeinsamen Währung – sollte noch ein steiniger sein. Nachdem es zunächst Mitte 1990 sowohl zum Beginn der ersten Stufe der WWU als auch zur deutsch-deutschen Währungsunion und in der Folge zur deutschen Wiedervereinigung gekommen war, führten im Herbst 1992 große Verwerfungen im Wechselkursmechanismus zum erzwungenen Austritt des erst 1990 beigetretenen britischen Pfund und der italienischen Lira. Nach einer weiteren Spekulationswelle im Sommer 1993, die v.a. den französischen Franc betraf, musste die Schwankungsbreite im ERM auf +/- 15% erweitert werden.

Auch die Glaubwürdigkeit der österreichischen Geld- und Währungspolitik, der so genannten Hartwährungspolitik, wurde im August 1993 getestet. Es kam zu einem m.E. unberechtigten Angriff auf den österreichischen Schilling, der die OeNB zu beträchtlichen Interventionen zwang. Aber es gelang, die Krise nach einem Tag erfolgreich im Keim zu ersticken. Die lange Tradition der stabilitätsorientierten Geld- und Wechselkurspolitik gepaart mit klaren, dieser Tradition verpflichteten Statements von Maria Schaumayer in diesen Stunden, konnte die Glaubwürdigkeit der Wechselkursbindung durch die Oesterreichische Nationalbank erfolgreich verteidigt werden.

Ein Höhepunkt der fünf Jahre an der Spitze der OeNB war dann sicherlich im Juni 1994 das überwältigend positive Votum der Österreicherinnen und Österreicher für den Beitritt zur Europäischen Union, für das sich Maria Schaumayer persönlich wie auch die Oesterreichische Nationalbank als Institution sehr engagiert hatten. In der Folge konnte sie ab Sommer 1994 an den Ratssitzungen des mit dem Beginn der zweiten Stufe Anfang 1994 geschaffenen Europäischen Währungsinstitutes teilnehmen. Sie erreichte auch, dass schon Mitte 1994 erste Mitarbeiter der OeNB nach Frankfurt wechseln konnten. Mit Anfang 1995, bereits wenige Tage nach dem Beitritt Österreichs zur EU, führte sie den Schilling in den Wechselkursmechanismus. Das war zweifelsfrei ein Höhepunkt in der währungspolitischen europäischen Integration Österreichs.

Während ihrer fünf Jahre als Präsidentin der OeNB waren Maria Schaumayer insbesondere die Stabilität des Geldes, die Unabhängigkeit der Notenbank und das Prinzip der Subsidiarität persönliche Anliegen, die sie oftmals in den Mittelpunkt ihrer Referate stellte. (Die Tatsache, dass die Enzyklika „Quadragesimo anno“, die ja das Subsidiaritätsprinzip zu einem Eckpfeiler der christlichen Soziallehre machte, 1931 erlassen wurde und damit Maria Schaumayer quasi „in die Wiege gelegt wurde“, dürfte dabei vielleicht eine Rolle gespielt haben.) Nachdem alle drei Prinzipien Grundpfeiler der europäischen Währungsverfassung des Vertrags von Maastricht sind, konnte unsere ehemalige Präsidentin diesen auch vollinhaltlich und mit voller Überzeugung unterstützen. Schließlich sollte das bewährte, stabilitätsorientierte österreichische geld- und währungspolitische Konzept auf die Europäische Union ausgeweitet werden, was dann 1999 durch die Einführung des Euro auch gelang.

Innerhalb der OeNB waren diese fünf Jahre der Präsidentschaft von Frau Dr. Schaumayer ebenfalls Jahre des Umbruchs. Einerseits wurde die Internationalisierung der OeNB gestartet und vorangetrieben. Ein Internationalisierungskomitee wurde geschaffen, um das Haus auf die Integration in die Europäische Union und die WWU vorzubereiten. Getreu dem Motto „Vom Amt zum Dienstleister“ kam es unter Maria Schaumayer in der OeNB auch zu großen organisatorischen Veränderungen.

Mit 1. Juni 1995 übergab sie mir dann die Leitung der OeNB und trat zum zweiten Mal den wohlverdienten Ruhestand an, bis sie Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 wieder für eine sehr herausfordernde Aufgabe rief, die Maria Schaumayer ebenfalls hervorragend meisterte.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Eine Würdigung von Maria Schaumayer´s beruflichem Leben als Managerin, als Politikerin, als Präsidentin der Oesterreichischen Nationalbank ist wichtig, darf sich aber nicht nur auf diese Funktionen beschränken.

Sie war eine erfolgreiche Managerin und Politikerin in vielen verschiedenen Funktionen, sie hat aber auch noch eine Reihe anderer wichtiger Aufgaben übernommen und Initiativen gesetzt. Hier wäre insbesondere ihre Rolle als Regierungsbeauftragte für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern zu nennen, die sie im Jahr 2000 auf Initiative von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel übernommen und bravourös gemeistert hat. Sie hat damit einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung Österreichs mit seiner Geschichte geleistet.

Aber auch die Beseitigung von beruflichen Barrieren für Frauen war ihr immer schon ein großes Anliegen. Maria Schaumayer war, wie sie es selbst einmal bezeichnete, in mehreren Bereichen „Eisbrecherin“ für Frauen. So war sie die erste Notenbankgouverneurin eines westlichen Landes und auch das Goldene Ehrenzeichen der WU hat sie als erste Frau erhalten.

Im Jahr 1991 hat sie die Dr. Maria Schaumayer-Stiftung mit dem Ziel ins Leben gerufen, aktiv die Karrieren von Frauen in der Wirtschaft und Wissenschaft zu unterstützen und die Erforschung und Verbesserung der Rahmenbedingungen für solche Laufbahnen zu fördern.

Bei so vielen wichtigen öffentlichen aber auch privatwirtschaftlichen Funktionen ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Maria Schaumayer bereits mit vielen hohen Ehrenzeichen ausgezeichnet wurde. Die Bandbreite ist sehr groß und reicht vom Titel der „Kommunikatorin des Jahres 2000“ des Public Relations Verbandes Austria bis hin zum Großen goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich. Ich bin sicher, es werden noch viele folgen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

So sehr die Feier zum 50-jährigen Doktorjubiläum dazu verleitet, zurückzublicken, will ich doch die Gelegenheit nützen und den Blick auch kurz nach vorne zu richten. Wir dürfen uns nach nahezu fünfeinhalb Jahren erfolgreicher Euro-Einführung nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Aus der eingangs bereits erwähnten Erweiterung der Europäischen Union werden sich neue Aspekte für die europäische Politik, aber auch für die Währungsunion bzw. den Euro und die geldpolitisch Verantwortlichen ergeben.

Der Euro hat für viele Länder der Europäischen Union die lang ersehnte geldpolitische Stabilität gebracht und ist heute eine international anerkannte Währung. Es gilt daher weiterhin, nunmehr in einer auf 25 Mitgliedstaaten ausgewachsenen Europäischen Union das Wissen und das Verständnis für und um die Währungsunion zu intensivieren. Die beste „Werbung“ für eine Währung ist und bleibt ihre innere Stabilität. Und damit liegen wir nach über fünf Jahren Währungsunion sehr gut. Von 1999 bis 2003 lag die durchschnittliche Inflationsrate des Eurogebietes bei 1,8 %. Die internationale Rolle unserer Währung basiert auf dieser Stabilität und der damit verbundenen Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. Für die Stabilität und Glaubwürdigkeit einer Währung ist aber auch die Wirtschaftskraft und die Dynamik der hinter dieser Währung stehenden Region eine wesentliche Voraussetzung.

Welches sind nun die kommenden Herausforderungen für die europäische politische und währungspolitische Integration?

Der nächste Schritt in der währungspolitischen Integration ist der Beitritt der neuen Mitgliedsländer zum Wechselkurs¬mechanismus ERM-II. Wann die neuen EU-Länder dem ERM-II beitreten, liegt in ihrem eigenen Ermessen. Mit dem Beitritt wird eine Festlegung eines Leitkurses zum Euro verbunden sein. Um diesen Leitkurs herum wird die jeweilige nationale Währung bis zu +/- 15% schwanken können.

Es ist eines der Konvergenzkriterien für die Teilnahme an der gemeinsamen Währung, zwei Jahre lang ohne Spannungen und ohne eine Abwertung im ERM-II gewesen zu sein. Noch hat keines der neuen Mitgliedsländer um Aufnahme in den Wechselkursmechanismus angesucht, aber ich rechne mit einigen Anträgen noch heuer. Eine behutsame Vorgehensweise erscheint in jedem Fall angeraten; das Integrationstempo sollte – im Interesse der neuen EU-Mitgliedstaaten wie auch des Euroraums – jedenfalls nicht auf Kosten der Qualität gehen.

Nach zwei Jahren spannungsfreier Teilnahme am ERM-II steht dann der Weg in den Euro offen, soferne auch die anderen Konvergenzkriterien, niedrige Inflation, gesunde Staatsfinanzen und niedrige langfristige Zinsen in der Beurteilung des Rates dauerhaft erfüllt werden. Sollte daher eines der Länder noch in diesem Jahr in den ERM-II eintreten, dann wäre Anfang 2007 das frühest mögliche Datum für seinen Eintritt in die Währungsunion.

Mit Blick auf die Finanzpolitik der Mitgliedsländer gibt es derzeit zunehmenden Grund zur Sorge. Im Jahr 2003 haben mehrere Länder des Euroraums die Vereinbarungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts verfehlt. Auch 2004 und 2005 dürfte eine wachsende Zahl von Ländern erhebliche Ungleichgewichte aufweisen, während die Bemühungen um eine Konsolidierung der Staatsfinanzen hinter den politischen Zusagen zurückbleiben dürften. Die rasche Rückkehr aller Mitgliedstaaten auf einen Pfad nachhaltig stabiler Staatshaushalte ist dringend notwendig, um das Vertrauen in das wirtschaftspolitische Regelwerk der EU bzw. die „Stabilitätsarchitektur“ der Währungsunion abzusichern. Dabei kommt es wesentlich darauf an, dass alle betroffenen Länder versuchen, die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts durch glaubhafte Anstrengungen sicherzustellen. Dies würde dazu beitragen, den in Gang gekommenen Konjunkturaufschwung zu unterstützen, indem das Vertrauen in gesunde öffentliche Finanzen gestärkt und die Aussichten für ein künftiges wirtschaftliches Wachstum verbessert werden.

Zudem sollten die im Rahmen der Lissabon-Strategie vereinbarten Strukturreformen zur Förderung des langfristigen Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung zügig und konsequenter als bisher sowohl auf europäischer Ebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Weitere Strukturreformen sind unerlässlich, wenn das Wachstumspotenzial des Euroraums spürbar ausgeweitet werden soll. Insbesondere die Beschäftigungsquote und das Wachstum der Arbeitsproduktivität im Eurogebiet müssen deutlich gesteigert werden. Dies erfordert insbesondere eine Stärkung der technischen und wissenschaftlichen Grundlagen sowie weitere Anstrengungen zur Verbesserung des Humankapitals, eine Herausforderung auch für die Universitäten.

Aber auch die geografische Ausdehnung der Union ist noch nicht an ihr Ende gelangt. Es liegt im Interesse Österreichs, dass insbesondere die Länder des Balkans an die Europäische Union herangeführt und dadurch dauerhaft stabilisiert werden. Mit Rumänien und Bulgarien sind die Beitrittsverhandlungen schon weit gediehen, und Kroatien hat gerade einen positiven Avis von der EU-Kommission erhalten.

Schließlich gilt es auch noch, das Thema einer europäischen Verfassung einer Lösung zuzuführen. Aus der Sicht der Notenbanken ist es besonders wichtig, dass die Fundamente des stabilen Euro nicht über die Verfassung eventuell wieder aufgeweicht werden. Preisstabilität und Unabhängigkeit der Notenbanken, die zwei tragenden Pfeiler der Währungsverfassung, müssen dauerhaft abgesichert sein. Das sind wir den europäischen Bürgerinnen und Bürger schuldig.

Sehr geehrte Festgäste!

Die von Banknotengrafikern der Oesterreichischen Nationalbank entworfenen Euro-Banknoten zeigen Tore und Brücken als passende Symbole für die europäische währungspolitische Integration: der Euro eröffnet neue Möglichkeiten und verbindet Länder und Menschen.

Maria Schaumayer hat in ihrem bisherigen Leben und in ihren vielen Funktionen ebenfalls sehr maßgeblich dazu beigetragen, Tore zu öffnen und Brücken zu bauen. Sie hat dabei auch für die europäische Integration und für den Euro wichtige Beiträge geleistet. Wir sind ihr dafür sehr dankbar.

Ich möchte mit zwei Zitaten aus Reden von Maria Schaumayer schließen, die ihr europapolitisches Credo verdeutlichen:

„Ich möchte … betonen, dass Österreich den Integrationsprozess nicht in einem ausschließlich wirtschaftlichen Sinn versteht, der mit der Schaffung einer gemeinsamen Währung endet; dies kann nur ein politisches Zwischenziel sein. Wir sehen in dem Prozess der Integration auch eine tiefere europäische Verantwortung für die intensivere Zusammenarbeit auf vielen Feldern der Politik. Wir sehen darin die historische Möglichkeit, die Spannungen vergangener Dekaden zu überwinden und Sicherheit und Frieden zu schaffen.“

„Ziel und Rechtfertigung der Integrationsbemühungen ist nach meiner Auffassung, mehr Sicherheit, Stabilität und Wohlstand für Europa und seine Bürger zu schaffen.“

Das ist es, worum es Maria Schaumayer immer gegangen ist und darum wird es für uns alle in Europa auch in Zukunft gehen.

1) Simon M. Cleja, The Euro – A New European Gold Currency, Staples Press, London 1949

Herausgeber:
Oesterreichische Nationalbank
Sekretariat des Direktoriums/Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: (+43-1) 404 20-6666

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